Wasserkuppe: Rhön Open 2005

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Die Idee

1. Juli. 2005: Die Wettervorhersagen für die Alpen sind trübe: Wetterfrosch Stefan Hörrmann spricht
von "nur lokalem Soaren":

Samstag : Die Flugmöglichkeiten ... hoher Restfeuchte und kräftigen Nordwestwinden stark eingeschränkt.
Sonntag: Die Höhenwinde aus Nordwest ... vereiteln größere Aufgaben und ermöglichen .. nur lokales Soaren ..

Da kommt bei Thomas Ide der Wunsch auf, dem bevorstehenden Triefregen im Allgäu zu entrinnen
durch einen cleveren Schachzug, auf den Petrus sicher nicht vorbereitet ist: Die Flucht nach NORDEN
Weder Thomas noch ich waren je nördlich von Stuttgart fliegen, und unsere Flachlanderfahrung ist ebenso
praktisch Null. Laut Thomas 2 gute Gründe uns endlich mal mit diesem Kapitel zu beschäftigen ;-)

Weil Thomas ein Meister der Überredung ist, und er mir prophezeit, dass ich ihm noch die Füsse küssen
werde für diesen genialen Einfall, machen wir uns auf den Weg. Sein konkretes Ziel ist die Ankündigung
der Rhön Open 2005 auf der DHV-Homepage:
Rhön Open 2005: Wettbewerb für Gleitschirm und Drachen auf der Wasserkuppe

Ganz im Zeichen der flugsportlichen Tradition auf der Wasserkuppe veranstaltet der Rhöner Drachen- und Gleitschirmflugverein Poppenhausen e.V., mit Unterstützung der Flugschulen an der Wasserkuppe, seine Meisterschaften im Gleitschirm- und Drachenfliegen. Anlässlich des 100jährigen Fußstartjubiläums auf dem Berg der Flieger wird die Rhön Open im Gleitschirmfliegen als ein Rhönseglerwettbewerb, wie er schon in den 20er Jahren ausgetragen wurde, ausgeschrieben.
"Soweit die Flügel tragen" wird die Hauptaufgabe der Wettkämpfer sein. Damals flogen die Rhönsegler die ersten Streckenflüge der Welt. Sportliche Leistungen, über die man in den Metropolen der Goldenen Zwanziger  in den Zeitungen lesen konnte. Mehr als 50000 Menschen kamen damals zur Einweihung des Fliegerdenkmals 1924 auf die Wasserkuppe. Heute fliegen die Hängegleiter und Gleitsegler in den Fußstapfen der Pioniere aus der Anfangszeit. 140 Kilometer segelte der Südtiroler Andy Frötscher im vergangenen Jahr - Wasserkuppenrekord mit einem Gleitschirm! "Verkleidungsfliegen" und "Landungen auf dem Heuballen" werden die Aufgaben für die Hobby- und Genusspiloten sein. Camping ist kostenlos auf der Festwiese möglich.
Die Veranstaltung findet vom 1.7. bis 3.7. statt. Einschreibung für die Wettkämpfe ist am Samstag, 2.7. um 9.00 Uhr. Ab 12 Uhr ist Kilometerjagd angesagt. Am Abend steigt die Fliegerparty im eigens aufgebauten Festzelt.
Mehr Infos unter www.rdg-ev.de

Der Weg

Das hört sich ja vielversprechend an! Der Verein ist mit 700 Mitgliedern immerhin Deutschlands grösster Fliegerverein.
Einmal auf den Weg gebracht können uns nun auch die teils kräftigen Regenschauer nicht mehr entmutigen.
Wir finden auch das winzige Dorf wo der Event stattfindet, und dort ein Zelt mit einigen unentwegten Gestalten,
die Ihr Leben dem Fliegen verschrieben haben.  Darunter auch so prominente Leute wie Andi Frötscher, der
demnächst an den X-Alps teilnehmen wird.

Der Morgen

Der Blick aus dem Bus am nächsten Morgen ist dann aber doch ernüchternd: Die WolkenBasis beginnt
knapp über dem Aufstelldach des Busses und von der Wasserkuppe sieht man nur Wasser und keine Kuppe.
Ein paar Stunden später "kuppt" es dann aber doch und man sieht immerhin einige Flieger Abgleiter machen.

Nach dem sehr informellen Anmelden und Briefing geht es an den WestStartplatz. Dort angekommen geben sich
Thomas und ich grosse Mühe cool zu gucken, als sei alles ganz normal. Aber eigentlich haben wir so etwas
beide noch nicht gesehen: Eine seeeeeehr lange, seeeehr flache, auch noch ungemähte Wiese, die nach
ca. 400m in eine Waldschneise mündet: Aha!!  Wozu braucht man denn die Schneise da hintenuntendrunten??

Zunächst zeigen uns aber die Wasserkuppler eindrücklich, dass sie die wohl weltbesten Groundhandler sind:
Jeder legt seinen Schirm kreuz und quer in vielen Reihen hintereinander aus, und zieht ihn mal auf, und spielt
damit ein wenig herum. Die, die schon starten wollen, legen einfach irgendwo ihren Schirm mitten rein, und
ziehen auf, und laufen dann in aller Seelenruhe mit dem Schirm über sich rückwärts im ZickZack zwischen
liegenden und stehenden Schirmen hindurch nach vorne.
OK.: So geht das also hier!?!  In den Alpen gäbe es da nur verzweifelte Gesichter und Gezanke, wer nun
vor wem ausgelegt hat. Ich bin offen gesagt eine absolute Bodenhandlings-Null, und höre schon die
Lachsalven der Einheimischen, wenn ich mich hier gleich heftigst blamiere.

Die ersten Streckenflieger machen nun aber  hoffnungsvolle Versuche nach dem Motto:  "Die Thermik muss
 irgendwo da draussen sein - Attack!"  Wild entschlossen rennen sie den Grashang hinab durchs
hohe Grass .... und rennen ... und rennen ... und rennen ... der Schneise entgegen.
Viele werden dort mit einem Lupfer belohnt, manche werde auch durch Grass und Wind gebremst und
brechen ab. Die Gruppe die vor Thomas losrennt verteilt sich nach rechts und links im Grasdschungel.
Ich komme zwar irgendwie raus, aber der lange Latz meines neuen Gurtzeugs schleift die ganze Zeit
im hohen Gras (auch als ich schon fliege ;-) und sammelt eifrig die Ähren in sein inneres. Heuschnupfen
ist bei diesem Flug quasi vorprogrammiert ...

Der Flug

Vorne angekommen blubbert die Luft unentschlossen herum: Mal hebt es ein paar hier, mal ein paar dort.
Dazwischen gehts auch wieder satt runter. Kaum hat man mal was zentriert und dreht 3 Kreise, ists auch
schon wieder komplett weg. Ich bewundere Rainer und Mara, die sich schon eine ganze Zeit mit dem Tandem
halten, wo doch sehr viele gute Solo-Flieger, die es einfacher haben, sich neben Ihnen versenken.
Ich stelle mich auch immer wieder dämlich an, bis ich mich entschliesse konsequent an Rainer dranzubleiben.
Wo er sich halten kann, müsste es mit meinem niedriger belasteten Tattoo hoch gehen. Das Rezept klappt,
und ich kann mit Rainer immer mehr Höhe machen, während sich der ganze Pulk, auf den ich gehofft hatte
eine Streckengruppe zu bilden Richtung Landeplatz entschwindet. Danke Rainer!

Während Rainer nun mutig mit dem Tandem einen sehr kurzen Ausflug nach
Norden macht, hänge ich eine Weile unentschlossen alleine oben rum.
Zum Glück kommen Thomas Ide und Uli Schmeck auch noch hoch, und wir
ziehen gemeinsam los, mit dem Wind Richtung Osten.
Das klappt eine Weile auch recht gut, und die Wolken geben uns vermeintlich
gute Hinweise, wo es hochgeht. Allerdings war es eben vorher recht feucht, und
viele Wolken hängen nur so lustlos herum.Wenn man tatsächlich Thermik findet,
                                   hat sie im Schnitt nur 1m/s steigen.
 
Bald schon kommen wir 3 sehr tief und nicht weit unter unseren Füssen ist ein
Stadion, in dem ein Fussballspiel stattfindet. Wir finden einen Nullschieber und
parken über dem Stadion, was den SpielKommentator am Mikrofon dazu verleitet
 *uns* zu kommentieren, statt das Spiel. Wir können ihn so nahe recht gut hören ;-)

 

Ein Stück weiter finden wir in Baumwipfelhöhe einen Bart, der sich zu einem 4-5m/s Prachtkerl entwickelt,
der Heute leider auch der einzige dieser Art bleiben wird. Weil ich als unterster erst als letzter in den Bart
einsteigen kann, sind die anderen beiden ein paar Minuten vor mir an der Wolke kann und zerstreuen sich in
2 Richtungen. Aha, ab jetzt also jeder für sich? Ich drehe weiter auf und als ich losfliege kann ich Thomas
auch nicht mehr sehen. Schade. Nachher erfahre ich, dass Thomas ab hier leider schon in den unfreiwilligen
Endanflug geht, weil er nichts mehr erwischt.

Von nun an geht es dafür aber bei mir etwas leichter und beständiger dahin über den wilden Osten.
Thüringen ist von oben interessant anzuschauen: grüne und gelbe Kornfelder, Wälder, dazwischen
kleine Seen immer wieder Dörfchen und jede Menge Grossbaustellen: Im Osten wird immer noch
mächtig an der Infrastruktur gebastelt!



Doch irgendwann geht auch der schönste Flug zu Ende, und die Thermik wird schwächer.
Am Thüringer Wald steht noch eine schöne Wolkenstrasse, die noch mindestens eine Stunde
getragen hätte, aber ich kann sie um ca. 1Km nicht mehr erreichen und lande in einem
kleinen Ort bei Schleusingen in einem akkurat gemähten Garten. Einige Leute schauen,
und ein freundlicher Mann kommt auf mich zu und begrüsst mich herzlich in "seinem"
Ort: Er ist der Bürgermeister, und stolz darauf, dass sich nicht nur die Rettungshelikopter
seinen schönen Garten zum Landen aussuchen, sondern nun auch noch die Gleitschirmflieger.
Das ist mal ein nettes Willkommen! Ich werde gleich noch von 2 Leuten zu Bier und Wurst
eingeladen, aber weil es schon spät ist, und ich noch einen langen Heimweg habe,
muss ich leider dankend ablehnen.

Die Wasserkuppler haben einen Rückholdienst organisiert, der in ca. 25km vorbeikommt,
dorthin trampe ich mit 5 Autos: Die Leute hier sind unglaublich freundlich und offen!
Um 9Uhr komme ich schon wieder beim Festzelt an: Alles in Allem ein toller Tag und
ein gelungenes Fest!

Nachdem am Sonntag leider ausser Zwei-Minuten-Soaren nichts geht, werde ich für die
weiteste Strecke (61km Luftlinie, 74km OLC) auch noch mit dem 1.Platz und einem
Pokal belohnt, und darf mich nun mit dem schönen Titel "Rhönmeister" schücken...  ;-)

Danke Thomas für die tolle Idee! Das Füsseküssen hole ich noch nach, wenn sie
mal von den ganzen Start-Hang-Gräsern befreit sind! ;-)

Dank an Andreas "Schubi" Schubert für das toll organisierte Fest!
Wenn es geht, kommen wir nächstes Jahr wieder!

Und Gruss an Armin Harich, den ich schon länger bewunderte, für alles was ich
im WWW so über ihn fand: Schön mal selbst mit dir reden zu können!

So long, Ulli


P.S.: Hier noch der Bericht von der RDG Homepage
         (das mit der "geringen Fugerfahrung" will ich mal grosszügig überlesen ;-)


Rhön Open 2005
Vereinswettbewerb mit Fliegerparty

Die Wettbewerbsergebnisse und ein Bericht zur Rhön Open:
Streckenflugtask, 2.7.2005 - „Freie Strecke“
Overall Wertung, 76 gemeldete Teilnehmer

 

1. Ulli Prinz, Stuttgart
60km 1000 Punkte

2. Armin Harich, Bayern
50km 830 Punkte

3. Klaus Herwig, Kassel
45 km 750 Punkte

4. Martin Pieper, NRW
40 km 666 Punkte

5. Uli Dajek, NRW
25 km 415 Punkte

6. Maurice Knur, Eschwege
21,8 km 360 Punkte

7. Christa Wehner! Neuhof
21,6 km 358 Punkte

8. Zakaras Arunas, Litauen
18 km 300 Punkte

9. Henrik Harms, Hamburg
8 km 133 Punkte

10. Aendy Frötscher, Südtirol
8 km 133 Punkte


Beste Dame: Christa Wehner
Bester Junior: Jens Reinhard

Sportklasse, besonders sichere Gleitschirme:

1. Christa Wehner
2. Arunas Zakaras
3. Henrik Harms

Punktlandewertung:

1. Platz: Thomas Jorzik, Abtsroda!
Beste Frau: Andrea Brüggemann, München
Verkleidungsfliegen: 1 Platz: der fliegende Elch, Antje Witha, Sieblos


Rhön Open im Paragliding

Wasserkuppe: Ganz im Zeichen der Flugsportler verlief der vergangene Samstag. 70 Piloten aus dem In- und Ausland kämpften bei schwacher Thermik um die weitesten Flüge und schönsten Landungen. Wie vor 80 Jahren die Pioniere des Segelflugsports Ihre Meisterschaften am Fliegerdenkmal austrugen, war der Westhang Wasserkuppe, einer der berühmtesten Fußstartplätze der Welt, auch für die 9. Internationale Rhön Open Austragungsstätte. Zu Fuß und ohne Motor, nur getragen von der Kraft des Aufwindes ging es für das hochkarätige internationale Teilnehmerfeld darum, möglichst weit zu fliegen.

Ulrich Prinz, ein Newcomer, mit einer geringen Flugerfahrung von nur eineinhalb Jahren segelte allen Experten und Profipiloten auf und davon. „Nur der Thüringer Wald war zu hoch zum Überqueren“ wusste der überglückliche Gewinner nach 60km. Zweiter wurde der auf der Wasserkuppe bekannte Kitehersteller Armin Haarich aus Grassau am Alpennordrand. Vorjahressieger, Wasserkupperekordhalter und X-alps Teilnehmer Aendy Frötscher aus Südtirol landete schon 8 km. „Die thermischen Verhältnisse, also die Aufwinde, die wir als Flugsportler nutzen, waren sehr schwach. Da gehörte heuer eine Portion Glück dazu.“

Zur Unterhaltung der zahlreichen Gäste wurden ein Punktlandewettbewerb auf einem Rhöner Heuballen und ein Verkleidungsfliegen durchgeführt. Beide Begleitwettbewerbe konnten allerdings einheimische für sich entscheiden. Der Juniorpilot Thomas Jorzik aus Abtsroda sicherte sich mit zwei sensationellen stehenden Landungen auf dem Heuballen den begehrten Siegerpokal des geschicktesten Piloten nördlich der Alpen!

Antje Witha aus Sieblos überraschte mit der originellsten Verkleidung. Als fliegende Elch verkleidet motivierte sie viele Vereinspiloten, im nächsten Jahr für Funk und Fernsehen mit dem Verkleidungsfliegen dem „Berliner Red Bull Wannseespektakel“ Konkurrenz zu machen. Ausgetragen wurden die Wettbewerbe vom Rhöner Drachen- und Gleitschirmfliegerverein e.V., der mit 800 Mitgliedern der größte Flugsportverein für Drachen- und Gleitschirmflieger in Deutschland ist.

Zur Siegerehrung würdigte der 1. Vorsitzende Andreas Schubert aus Sieblos den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer und die großartigen Leistungen der Flugsportler. Besonderen Dank und großen Applaus gab es für die Einheimischen Grundstückseigentümer, die Gemeinde und die Segelflieger, die nun die Aufnahme der Drachen- und Gleitschirmflieger in die Gesellschaft zur Förderung des Segelflugsports auf der Wasserkuppe ermöglichen.